Pleitewelle in der Pflegebranche: Warum immer mehr Heime zumachen

10. August 2023 | Autor: Christoph Lixenfeld

Regensburger Spezial-Pflegeheim schließt 2024, Heim in Oldenburg ist insolvent, Pflegedienst in Gütersloh ebenfalls am Ende – drei Meldungen nur eines Tages. Die Pflegebranche erlebt eine Pleitewelle. Wirklich überraschen kann das nicht.

© Andrea Kueppers

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Wer eins und eins zusammenzählt, den kann die Pleitewelle in der Pflegebranche nicht wirklich überraschen. Preise (Lebensmittel, Energie) sind drastisch gestiegen, Personalkosten ebenfalls. Außerdem müssen Heime zum Teil ganze Etagen leerstehenlassen, weil sie zu wenige Personal haben – bei gleicher monatlicher Pacht wie für ein volles Haus.
Was uns das lehrt? Dass sich das Geschäft schlicht nicht mehr rechnet. Und das sollte die Pflege ja, sich rechnen, als die Pflegeversicherung erfunden und damit private Anbieter angelockt wurden wie Heuschrecken vom Maisfeld. Mittlerweile ist die Erwartung, mit Altenpflege Geld zu verdienen, problematisch (ambulanter Bereich) bis realitätsfern (Heime). Aus den oben genannten Gründen – und weil in den Heimen oft ein Esser zu viel am Tisch sitzt. Denn hier gibt es neben dem Betreiber in aller Regel auch einen Investor, der das Gebäude bereitstellt und dafür eine Pacht kassiert.

Kosten steigen in allen Bereichen

Viele Pleiten in der Pflegebranche laufen deshalb nach Schema F: Personal ist – im Vergleich zu früher – teuer und schwer zu finden, das Haus deshalb nur mühsam maximal zu belegen. Die Kosten steigen auf allen Ebenen, sparen ist schwierig bis unmöglich. Weil man Zimmer heizen, MitarbeteiterInnen bezahlen und Bewohner sattmachen muss. Pacht, Versicherungen etc. sind (bestenfalls) immer gleich hohe und unvermeidliche Kosten.
Also kommt genauso automatisch wie früher ein Gewinn heute vielerorts genauso automatisch ein Verlust raus beim Betrieb des Heims. Was uns das sagt? Dass die Vorstellung, mit „Seniorenresidenzen“ dauerhaft Geld verdienen zu können, auf einem Denkfehler beruhte – beziehungsweise auf mehreren. Zum Beispiel dass Pflegekräfte auf ewig wenig verdienen und stets in ausreichender Zahl verfügbar sein werden. Dass Deutschland keine drastische Inflation erlebt. Dass die Politik irgendwann gesetzliche Vorgeben der Branche aufweichen wird – beispielsweise die Fachkraftquote.

Heime können nicht gegensteuern

Doch es kam anders. Und im Gegensatz zu fast allen anderen Gewerken kann diese Branche kaum mit unternehmerischen Mitteln gegensteuern. Natürlich, Digitalisierung, Rationalisierung bei Verwaltung, Personaleinsatz und Planung spielen auch hier eine immer größere Rolle. Aber die Effekte halten sich in Grenzen. Altenheime können nicht wie ein Autohersteller Jahr für Jahr Kosten senken, indem sie Abläufe immer stärker automatisieren – und parallel die Preise deutlich erhöhen.
Zwar ist auch ein Platz im Altenheim zuletzt deutlich teurer geworden. Aber erstens muss dieses Plus zunächst ausschließlich den Pflegebedürftigen abverlangt werden – Pflegesatzverhandlungen mit den Kassen finden in aller Regel nur einmal im Jahr statt. Und zweitens stehen höheren Preisen wie beschrieben auch erhebliche Kostensteigerungen gegenüber.
Wollen wir eine bezahlbare, menschenwürdige und funktionierende Altenpflege, müssen wir die bestehenden Strukturen radikal verändern. Leider sehe ich aktuelle keine Partei, die die dazu notwendigen Ambitionen und den Mut hätte.


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