In Auftrag gegeben hatte die Studie im Sommer 2021 das Bundesgesundheitsministerium beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Grundannahme war, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung ab 2040 konstant bleibt und danach sämtliche „Mehrfinanzierungsbedarfe“ aus dem Fonds bezahlt werden. Dazu würde vereinfacht gesagt der Staat Bundesanleihen in Milliardenhöhe herausgeben, also fest verzinste Wertpapiere verkaufen, und das dadurch eingenommene Geld auf dem Kapitalmarkt investieren – vor allem in Aktien. Voraussetzung für den Erfolg dieser Idee ist eine „langfristig positive Rendite-Zins-Differenz“, wie die Gutachter des IW treffend feststellen. Die Geldanlage muss also mehr einbringen als das, was man den Anleihekäufern an Zinsen bezahlt.
Norwegischer Staatsfonds als großes Vorbild
Die Idee hat ein großes Vorbild, auf das sich die Autoren der Machbarkeitsstudie beziehen: Der Norwegische Staatsfonds legt vor allem die Einnahmen aus den üppigen Öl- und Gasvorkommen des Landes in Aktien an. Und das mit großem Erfolg, der Wert des Fonds beläuft sich aktuell auf einen Wert von umgerechnet mehr als einer Billion – also mehr als 1.000 Milliarden – Euro.
Der anvisierte deutsche Pflegefonds soll noch größer werden. Wobei beide Konstrukte insofern nicht vergleichbar sind, als die Deutschen das – geliehene – Geld zurückzahlen müssen, die Norweger nicht.
Natürlich können und wollen Machbarkeitsstudien nicht die Erfolgschancen eines solches Projekts vorhersagen. Sondern – eben – dessen Machbarkeit. Und hier geben die Autoren unter Vorbehalt grünes Licht. Voraussetzung sei, dass die Fondsverwaltung unabhängig ist „und ihre Körperschaftsform mit Blick auf die Bestimmungen zur Schuldenbremse rechtssicher organisiert“ werden kann, will sagen weder gegen das deutsche Grundgesetz noch gegen EU-Vorgaben verstößt.
Fonds kann nicht gesamten Bedarf der Pflegeversicherung decken
Allerdings weist die Studie auch auf Risiken hin, die eine solche Konstruktion mit sich bringt. Das ist zunächst die bereits zitierte „langfristig positive Rendite-Zins-Differenz“, ohne die keine Überschüsse zu erwirtschaften sind. Ob sie entsteht, hängt von zwei Faktoren ab. Erstens von der Entwicklung der Zinsen. Je mehr sie in den kommenden Jahren steigen, desto mehr muss der Bund potentiellen Anleihekäufern anbieten, damit sie anbeißen. Und wenn das Geldleihen teurer wird, dann muss der Staat auf dem Aktienmarkt höhere Renditen erwirtschaften, um noch seinen Schnitt zu machen. Diese Renditen aber und die Entwicklung des gesamten Aktienmarkts – Faktor zwei – sind und bleiben schwer kalkulierbar.
„Keine weiteren Leistungsausweitungen berücksichtigt“
Und selbst wenn die Renditen stimmen – der Norwegische Staatsfonds erwirtschaftete bisher fünf bis sechs Prozent pro Jahr – reicht das Geld dann nicht, um ab 2040 sämtliche „Mehrfinanzierungsbedarfe“ der Pflegeversicherung davon zu bezahlen, wenn die Inflation, die ja zuletzt schon deutlich zugelegt hat, die Erträge auffrisst.
Ein weiteres Risiko liegt in der Tatsache, dass heute niemand weiß, welche Leistungen die Pflegeversicherung im Jahre 2040 und danach genau anbieten wird. Die Studienautoren weisen ausdrücklich darauf hin, dass in ihren Modellrechnungen „keine weiteren Leistungsausweitungen berücksichtigt sind“.
Dass sich diese Leistungen, ihre Bemessung, Zuteilung und Finanzierung, in den kommenden Jahren nicht verändern werden, ist auszuschließen. Die Pflegeversicherung erlebte seit ihrer Installierung 1995 ungefähr ein halbes Dutzend größere und kleinere Reformen. Und fehlkonstruiert, wie das ganze System ist, werden auch in Zukunft Anpassungen unvermeidlich sein.
Für die Pflegeversicherung gibt es kaum Alternativen zur Fondslösung
Doch all die aufgezeigten Risiken ändern nichts daran, dass ein kapitalgedeckter Fonds zur Finanzierung der Pflegekosten eine gute Idee ist. Sicher, die Mittel werden nicht ausreichen, um sämtliche mit dem demografischen Wandel verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Aber der Fonds kann eine Säule sein, um das System zu stützen.
Außerdem stellt sich die Frage, welche Alternativen wir haben. Bleibt die Pflegeversicherung in ihren Grundzügen bestehen, dann werden die Beitragssätze weiter (moderat) steigen und die zusätzlich notwendigen Steuerzuschüsse drastisch. Anders lassen sich die Kosten nicht decken. Um das zu begreifen genügen die Grundrechenarten. Also warum nicht Geld leihen und am Kapitalmarkt investieren? Selbst wenn das Zinsniveau steigt inklusive der damit verbundenen Risiken (siehe oben): Bei den in der Machbarkeitsstudie des Instituts der Deutschen Wirtschaft angedachten Dimensionen des Fonds würde bereits ein Ertrag von zwei bis drei Prozent pro Jahr einen maßgeblichen Beitrag zur Finanzierung der Pflege leisten können. Bleibt zu hoffen, dass die Politik tatsächlich den Mut aufbringt, um ein solches Projekt anzugehen. Beim Blick auf den Umgang mit dem ganzen Thema Pflege in den zurückliegenden Jahren sind hier erhebliche Zweifel angebracht.