Heimaufsicht in Brandenburg: Es gibt noch viel zu tun

4. April 2022 | Autor: Christoph Lixenfeld

Eine Kleine Anfrage im Brandenburger Landtag beschäftigt sich mit den Aufgaben der Heimaufsicht, ihrer personellen Besetzung, den Zuständigkeiten und der Arbeitsweise bei Prüfungen. Die Antworten darauf zeigen: Es gibt hier gravierende Versäumnisse, und zwar sowohl hausgemachte als auch systembedingte.

© Stefan Gloede

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Die Anfrage stammt von Ronny Kretschmer für die Fraktion DIE LINKE im Landtag. Offiziell trägt die Heimaufsicht in Brandenburg – anders als in anderen Bundesländern – seit jüngstem die Bezeichnung „Aufsicht für unterstützende Wohnformen“. Sie ist sowohl für Pflegeheime zuständig als auch für Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, für Kurzeitpflegeeinrichtungen, Pflege-Wohngemeinschaften und für Hospize.
Ebenso wie andere Bundesländer erlebte auch Brandenburg schon eine ganze Reihe von Skandalen. Es gab rätselhafte Todesfälle, Berichte über verwahrloste Heimbewohner, verschiedene weitere Pflegemängel, Fälschung von Unterlagen und, und, und.
In jüngster Zeit sorgten vor allem zwei – sehr unterschiedliche – Fälle für Aufregung. Da ist zum einen die Tötung von vier Bewohnern eines Wohnheims für Menschen mit Behinderung durch eine Mitarbeiterin im April des vergangenen Jahres.
Beim zweiten Fall handelt es sich um die Kündigung von circa 110 Mietern einer Seniorenwohnanlage in Potsdam. Die Wohnungen sollen für die Vermietung an Studenten hergerichtet werden. Das Angebot der Stadt, die Anlage anzukaufen, hatte der Betreiber abgelehnt. Ob der Vermieter den Auszug der Senioren durchsetzen kann, ist unklar. Eine ganze Reihe von ihnen will jedenfalls nicht weichen und hat Anwälte eingeschaltet.

Ein Kontrolleur der Heimaufsicht für 35 Pflegeheime

Solche Vorkommnisse sorgten dafür, „dass gerade die Aufsicht für unterstützende Wohnformen kein Vertrauen unter Bewohner:innen und Angehörigen genießt oder allgemein in der Öffentlichkeit in schlechtes Licht gerät“, wie es einleitend in der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE an die Brandenburger Landesregierung heißt.
Und im Falle der Tötung von vier Bewohnern stellt sich natürlich die Frage, ob die Taten bei mehr und besserer Aufsicht hätten verhindert werden können. Für solche Aufsicht braucht es zunächst ausreichend viele Mitarbeiter. Und daran mangelt es erheblich, wie die Antwort auf die Frage nach dem Personalschlüssel deutlich macht. In Brandenburg ist eine Vollzeitkraft für die Beratung und Kontrolle von 35 Pflegeeinrichtungen oder von 70 Einrichtungen der Eingliederungshilfe – etwa Wohnheime für Menschen mit Behinderung – zuständig.
Der Prüfrhythmus für solche „unterstützende Wohnformen“ kann auf bis zu drei Jahre verlängert werden, eine Zeitspanne, die gerade in Anbetracht der erwähnten Tötung von vier Bewohnern eines Wohnheims überaus kritisch zu sehen ist.
Gleiches gilt für die Tatsache, dass Prüfungen nicht grundsätzlich unerwartet erfolgen, sondern zum Teil nach vorheriger Anmeldung. Begründet wird dies in der Antwort der Landesregierung damit, dass unter Umständen im Vorfeld einer Prüfung Auskünfte eingeholt werden müssen.

Alle Prüfungen der Heimaufsicht sollten unangemeldet erfolgen

Auch mit Blick auf die jüngsten Pflegeheimskandale in Bayern (Schliersee und Augsburg) stellt sich die Frage, ob nicht Prüfungen von Heimen – grundsätzlich und bundesweit – unangemeldet erfolgen sollten. Die Notwendigkeit, fallweise im Vorfeld Auskünfte einholen und damit die betreffenden Heime vorwarnen zu müssen, würde entfallen, wenn sämtliche Einrichtung einmal jährlich auskunftspflichtig wären.

Niemand kritisiert sich gerne selbst

Bei der Antwort auf die Frage, wie viele Beschwerden über das Leben in „unterstützenden Wohnformen“ in den zurückliegenden Jahren eingegangen sind, fällt der steile Anstieg beim Bereich „bürgerliche Rechte und Lebensqualität“ auf. Im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2019 gingen dazu 46 Beschwerden p. a. ein, 2020 waren es 186 (!!). Das Jahr 2021 ist noch nicht ausgewertet. Informationen darüber, wie es zu diesem drastischen Anstieg kam, liefert die Antwort der Landesregierung nicht.

Keine „Seniorenwohnanlage“ sollte sich der Heimaufsicht entziehen können

Unterm Strich zeigen die Kleine Anfrage und die Antworten darauf deutlich, dass die Aufsicht für unterstützende Wohnformen – vulgo Heimaufsicht – in Brandenburg unter mehreren strukturellen Problemen leidet. Hinzu kommt, dass sie für eine ganze Reihe von Einrichtungen, die ebenfalls dringend der Kontrolle und Aufsicht bedürfen, gar nicht zuständig ist. Damit meine ich Altenwohnungen, die zwar zentral gemanagt werden, dabei aber den Bewohnern laut Vertrag die Möglichkeit einräumen, ihren Pflege- oder Betreuungsdienst frei und nach eigenem Gusto zu wählen.
In genau diese Kategorie fällt ebenjene Seniorenwohnanlage, die 110 Bewohnern mir nichts dir nicht gekündigt hat. Wenn sie der Heimaufsicht unterstehen würde, wäre eine solhe Kündigung nur dann möglich gewesen, wenn der Heimbetreiber den Betrieb aufgibt.

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