Über Facebook kontaktierte mich schon vor längerer Zeit eine Dame, die eine Pflege-Zusatzversicherung abgeschlossen hatte. Sie bekam ohne Vorankündigung eine Beitragserhöhung um fast 60 Prozent und fragte, ob ein so drastischer Anstieg rechtens ist. In jüngster Zeit gab es sogar noch höhere Anstiege – zum Teil sogar um 100 Prozent.
Ich nehme das zum Anlass, ein paar grundsätzliche Bemerkungen zur Funktionsweise solcher Versicherungen zu machen – und zu ihrem Sinn beziehungsweise Nichtsinn. Fast alles davon gilt auch für eine von der aktuellen Bundesregierung ins Auge gefasste „freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung“ als Ergänzung zur gesetzlichen Pflegeversicherung.
„…das Versicherungsnehmer mit Beitragserhöhungen rechnen müssen.“
Zunächst: Die Antwort auf die konkrete Frage ist – leider – ein klares Ja. Auch eine deutliche Beitragserhöhung ist bei privaten Pflege-Zusatzversicherungen legal. Das betont auch die Stiftung Warentest im Zusammenhang mit ihrem aktuellen Versicherungsvergleich. Zitat: „Wir weisen in allen Veröffentlichungen darauf hin, dass Versicherungsnehmer mit Preissteigerungen rechnen müssen, auch solchen, die außerhalb der regulären Dynamik erfolgen.“ Nur wer sicher ist, diese Erhöhungen ein Leben lang zahlen zu können, auch im Rentenalter, sollte nach Ansicht der Tester einen solchen Vertrag abschließen.
Beitragserhöhung und zitierter Kommentar dazu weisen auf ein generelles Problem von Pflege-Zusatzversicherungen hin: Sie abzuschließen, ist vergleichsweise riskant und eignet sich – so absurd das klingt – eher für Menschen, die entweder über dauerhaft hohe Einkünfte oder ein bequemes finanzielles Polster verfügen.
Wer nicht mehr zahlen kann, verliert alles
Dafür gibt es drei Gründe: Erstens sind Beitragserhöhungen (auch drastische) wie gesagt immer möglich und fast immer rechtens. Zweitens müssen – anders als bei Lebensversicherungen – diese Beiträge bei Pflege-Zusatzversicherungen bis ins hohe Alter bezahlt werden. Wer das nicht kann, verliert den Versicherungsschutz und das bisher eingezahlte Geld.
Außerdem muss der Versicherte bei vielen Verträgen auch dann noch weiter Beiträge entrichten, wenn er bereits Pflegebedürftig ist und zugleich Versicherungsleistungen bekommt. In diesem Fall steht für die Pflege lediglich die Differenz zwischen diesen Leistungen und dem monatlich bezahlten Beitrag zur Verfügung. Und diese Differenz kann eben – siehe Grund 1 – durch steigende Beiträge in einigen Jahren, wenn die Pflegebedürftigkeit eintritt, deutlich kleiner sein als bei Vertragsanschluss angenommen und kalkuliert.
Problematisch ist das auch deshalb – Grund Nummer 3 – weil die zukünftigen Preise von Pflegeheimen ebenfalls unkalkulierbar sind.
Aus diesen Gründen kann heute niemand vorhersehen, wieviel Pflegeleistung er in einigen Jahren mit heute in einer Pflege-Zusatzversicherung vereinbarten Zuschüssen „einkaufen“ kann.
Je älter der Versicherte, desto riskanter die Police
Hinzu kommt, dass hier – wie bei allen sogenannten Personenversicherungen – das Einstiegsalter eine zentrale Rolle spielt. Wer zum Beispiel schon sehr früh Mitglied einer privaten Krankenversicherung geworden ist, bezahlt in aller Regel dauerhaft niedrigere Beiträge als solche Versicherte, die erst vergleichsweise spät eintreten.
Passend dazu geht die Stiftung Warentest in dem angesprochenen Vergleich von einem Einstiegsalter von 45 oder 55 Jahren aus. Wird der Vertrag jenseits der 60 – oder gar jenseits der 70 – abgeschlossen, dann ist die Ansparphase zu kurz, um noch ein nennenswertes Beitragspolster aufbauen zu können. Bezahlen muss die Versicherung trotzdem, wenn der Betreffende Pflegebedürftig wird. Damit das Ganze für den Anbieter nicht zum Verlustgeschäft wird, erhöht er in diesen Fällen gerne zügig und drastisch die Beiträge…
Obwohl dieser Verlauf so vorhersehbar ist wie das Amen in der Kirche, sind einige Versicherungen unfair und gierig genug, auch Menschen über 70 noch solche Policen zu verkaufen.
Eine Wette mit ungewissem Ausgang
Ob sich eine private Pflegeversicherung unter dem Strich lohnt, hängt auch bei rechtzeitigem Abschluss vom Verlauf des weiteren Lebens ab: Wer mit 45 den Vertrag unterschreibt und ab 70 zehn Jahre lang Pflegebedürftig ist, macht mit der Police einen guten Deal. Wer aber erst mit 90 – und dann nur für ein Jahr – gepflegt werden muss, für den war die Versicherung ziemlich teuer.
Abgesehen von dieser „Wette“, die man wie jede andere gewinnen oder verlieren kann, sind solche privaten Pflegeversicherungen in jedem Fall seit dem 1. Januar 2020 deutlich weniger empfehlenswert als vorher.
Denn mit Inkrafttreten des sogenannten Angehörigen-Entlastungsgesetzes müssen nur noch Kinder für die Pflege der Eltern bezahlen, die mindestens 100.000 Euro brutto pro Jahr verdienen – was nur bei 6 Prozent der Einkommensbezieher in Deutschland der Fall ist.
Versicherung nützt nur den Erben
Relevant ist das deshalb, weil solche Versicherungen bei genauer Betrachtung ja nicht abgeschlossen werden, um das eigene Budget zu entlasten, sondern das der Nachfahren. Und die müssen – siehe oben – seit Anfang dieses Jahres ohnehin nur für die Pflege der Eltern aufkommen, wenn sie ziemlich wohlhabend sind. In allen anderen Fällen schießt das Sozialamt zu, wenn die Mittel aus gesetzlicher Pflegeversicherung und eigener Rente nicht reichen, um den Heimplatz zu bezahlen. Will sagen die Beträge zur privaten Versicherung entlasten am Ende das Sozialamt. Das ist zwar Nobel, war aber vermutlich nicht die ursprüngliche Absicht dahinter…
Sinnvoller – allerdings auch nur für die Nachfahren – kann die Pflege- Zusatzversicherung dann sein, wenn sie abgeschlossen wird, um das eigene Haus am (Lebens-)ende noch vererben zu können, anstatt es vorher für die Pflege zu Geld machen zu müssen.
Allerdings gibt es Möglichkeiten, diesen Schritt hinauszuzögern oder ganz zu verhindern. Die einfachste ist, die Immobilie den Kindern zu schenken. Ähnlich wie im Steuerrecht gilt hier eine Frist von 10 Jahren. Erst wenn die seit der Schenkung vergangen sind, kann das Sozialamt nicht mehr den Verkauf der Immobilie betreiben, um das für die Pflege seines Besitzers vorgestreckte Geld einzutreiben.