Dresden: Warum Ehrenamtliche nicht in private Heime gehören

7. Januar 2022 | Autor: Christoph Lixenfeld

Ehrenamtliche HelferInnen, deren Einsatz nichts kostet, sind überall willkommen, in Heimen, in Sportvereinen oder bei der Kinderbetreuung – vor allem in Zeiten der Pandemie. Das aber auch private Pflegeheime um Ehrenamtliche werben, ist eine Frechheit.

Foto: Jörg Blobelt

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Wegen der Corona-Lage gebe es „teils massive Personalausfälle“ so Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Klaudia Kaufmann zu Beginn des neuen Jahres zur Lage der stationären Altenpflege. In dieser akuten Notlage würden „dringend Helfer benötigt, die in betroffenen Pflege- und Senioreneinrichtungen einspringen.“ Die „helfenden Einsätze“ der Ehrenamtlichen sind in Küche, Hauswirtschaft, Betreuung und Pflege möglich. Vorerfahrungen sind von Vorteil, jedoch keine Bedingung.

Die Freigemeinnützigen bezahlen vergleichsweise anständig

Bei freigemeinnützigen Betreibern wie AWO oder Volkssolidarität kann man noch Verständnis dafür aufbringen, dass sie sich auch Ehrenamtlicher bedienen wollen: Sie erwirtschaften keinen Gewinn und liefern dennoch – zumindest im unteren und mittleren Preissegment – bessere Pflegequalität ab als die Privaten. Außerdem bezahlen sie ihr Personal in der Regel – vergleichsweise – anständig. Das aber privat finanzierte, gewinnorientierte Heime ihre Personalprobleme ebenfalls mit ehrenamtlicher – vulgo unbezahlter, kostenloser – Arbeit lindern wollen, ist eine Frechheit.

Finanzinvestoren interessieren sich für den deutschen Pflegemarkt

Zum Bespiel der Senioren-Wohnpark Dresden – am großen Garten. Hinter der Einrichtung der EMVIA Living-Gruppe steht Chequers Capital, ein französischer Finanzinvestor, der sich in den unterschiedlichsten Branchen engagiert. EMVIA Living entstand 2017 und betreibt 47 Pflegeheime in Deutschland. (Mehr dazu steht hier.) Zweck auch dieses Engagements der Franzosen ist – natürlich – Geld zu verdienen. (Mit der Frage – die an dieser Stelle nicht Thema ist – ob die Existenz privater, gewinnorientierter Pflegeheime grundsätzlich den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen zuträglich ist, habe ich mich an dieser Stelle einmal näher beschäftigt.)

Viele der Bewertungen sind verheerend

Unstrittig ist aber, dass es sich bei EMVIA nicht um eine jener „organisierten, gemeinnützigen Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens“ handelt, denen die Freiwilligenagentur ehrensache.jetzt der Bürgerstiftung Dresden durch die Vermittlung von Ehrenamtlichen unter die Arme greifen möchte. Fragt sich also, warum das beschriebene EMVIA-Haus in Dresden trotzdem auf der Plattform ehrenamtliche Kräfte einwerben darf
Viele jener Kommentare, die aktuelle und ehemalige MitarbeiterInnen auf der Jobbewertungsplattform kununu über die Verhältnisse in den EMVIA-Häusern hinterlassen haben, sind schlicht vernichtend. („Wer das hier überstanden hat, übersteht wirklich alles.“) Solche Bewertungen und das daraus resultierende Image des Unternehmens dürften an den Personalproblemen von EMVIA nicht ganz unschuldig sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es besonders dreist, Gewinne in schwierigen Zeiten mithilfe kostenloser HelferInnen sichern zu wollen.

In der Schweiz werden die HelferInnen bezahlt

Auch in der Schweiz wird die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich für Hilfseinsätze in Pflegeeinrichtungen zu melden. Die aktuelle Pandemiesituation setze die Teams in den Betreuungseinrichtungen „erneut stark unter Druck“, heisst es Beispielsweise in der Mitteilung des Kantons Waadt. Um die BewohnerInnen von Alters- und Pflegeheimen oder sozialpädagogischen Einrichtungen weiterhin qualitativ hochstehend betreuen zu können, suchen die Gesundheitsdirektion und das Rote Kreuz Verstärkung in der breiten Bevölkerung. Teilzeitbeschäftigte, RentnerInnen, Selbstständige oder Studierende können sich online für befristete Hilfseinsätze anmelden.
Allerdings sollen die freiwilligen Helfer nicht gratis arbeiten. Für den Nicht-Pflegebereich wurde ein pauschaler Stundenlohn von 33 Franken (knapp 32 Euro) festgelegt, die Pflege-Aushilfen werden zu einem speziell für diesen Aufruf festgelegten Tarif vergütet.


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