Von legal keine Rede: Warum sich Vermittler von Rund-um-die-Uhr-Pflege nicht zu früh freuen sollten

22. Dezember 2020 | Autor: Christoph Lixenfeld

Laut den Plänen zur Pflegereform soll künftig auch für die Rund-um-die-Uhr-Pflege Geld aus der Pflegeversicherung fließen. Der Vorstoß ist brisant, weil solche Beschäftigungsverhältnisse fast durchweg illegal sind.

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Der Satz im „Eckpunktpapier“ des Gesundheitsministeriums zur Pflegereform ist eher beiläufig formuliert: „Bei Beschäftigung einer 24-Stunden-Betreuungsperson im eigenen Haushalt soll es unter bestimmten Bedingungen, analog zu den Angeboten zur Unterstützung im Alltag, möglich sein, den Anspruch auf Umwandlung von bis zu 40 Prozent des Pflegesachleistungsbetrag zu nutzen.“
Dennoch sorgte die Ankündigung in der Branche für Begeisterung. „Das ist ein guter Anfang für die weitere Akzeptanz der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft. Es bedeutet einen großen Fortschritt, dass diese Versorgungssäule ausdrücklich genannt wird“, lässt sich Daniel Schlör, Vorstandsvorsitzender des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege e.V. (VHBP) auf der Webseite des Verbandes zitieren. Schlör wünscht sich vor allem Rechtssicherheit für die Rund-um-die-Uhr-Pflege. „Erst wenn sich Angehörige nicht mehr durch ein Heer illegaler Angebote hindurchkämpfen müssen und finanzielle Förderung beanspruchen können, wird sich ihre Situation verbessern.“

30.000 Euro Lohnnachzahlung

Auch die SPD forderte zuletzt immer wieder die Legalisierung illegaler Pflegekräfte aus Osteuropa. Das Problem dabei: Die 24-Stunden-Betreuung durch eine Person lässt sich in Deutschland gar nicht legalisieren. Warum, sagt die Arbeitsrechtlerin Christiane Brors von der Uni Oldenburg in diesem Beitrag. Und davon, dass Jens Spahn den betroffenen Familien Hilfen in Aussicht stellt, wird aus Ausbeutung noch keine „Betreuung in häuslicher Gemeinschaft“ – wie der erwähnte Verband solche Arbeitsverhältnisse so kuschelig beschreibt.
Auch auf die von vielen Anbietern vorgebrachte Behauptung, „garantiert 100-prozentig legal“ zu arbeiten, sollten Familien nicht vertrauen – und sich stattdessen die Risiken vor Augen führen. Im Sommer erstritt eine bulgarische Frau, die in der Rund-um-die-Uhr-Pflege gearbeitet hatte, mehr als 30.000 Euro Lohnnachzahlung von einer Familie. Im Arbeitsvertrag der Frau stand eine Arbeitszeit von 30 Wochenstunden. Das fand das berliner Gericht für die erwartete Leistung unrealistisch und zudem „treuwidrig“, wenn zugleich eine umfassende Betreuung zugesagt ist. Und am 25. November fanden in mehr als 70 Geschäftsräumen von Vermittlern Razzien statt. Diese Unternehmen sollen – so der Verdacht – ukrainische Betreuungspersonen ohne Arbeitserlaubnis an Privathaushalte vermittelt haben.

Das Beispiel könnte Schule machen

Die Revision des Falls der Bulgarin vor dem Bundesarbeitsgericht steht noch aus, aber dort dürfte die Entscheidung kaum anders ausfallen als in der ersten Instanz. Gut möglich auch, dass das Beispiel Schule macht und weitere Frauen vor Gericht ziehen. Die meisten schrecken deshalb bisher davor zurück, weil sie befürchten, dann nie mehr für einen solchen Job vermittelt zu werden. Andererseits ist die Aussicht auf mehrere Zehntausend Euro Nachzahlung verlockend…
Wenn das Gesundheitsministerium plant, künftig auch Mittel der Pflegeversicherung für die 24-Stunden-Betreuung zur Verfügung zu stellen, wird es sich zuvor mit der Frage der (II)legalität solcher Beschäftigungsverhältnisse auseinandersetzen müssen. Und legal kann 24-Stunden-Pflege – völlig unabhängig von der Bezahlung – in Deutschland nur dann sein, wenn jeder Pflegebedürftige von mehreren sich abwechselnden Kräften betreut wird. 

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